Veranstaltung: | Anträge zur Online-Sitzung am 2.10.2020 |
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Antragsteller*in: | Hülya Lehr und Jan Schierkolk (LAG MFI) |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 01.10.2020, 08:45 |
A1: LMV-Antrag: GRÜNE in HESSEN sind für die Vielfalt der Sprachen an allgemeinbildenden Schulen!
Antragstext
Die Landesmitgliederversammlung bittet hiermit die Landtagsfraktion, sich in
Zusammenarbeit mit unseren Landesarbeitsgemeinschaften (LAGen) Migration Flucht
Integration (MFI) und Bildung der Erweiterung und Entwicklung der modernen
Fremdsprachen im hessischen Kerncurriculum anzunehmen. Dabei sollen mindestens
die Sprachen Chinesisch, Arabisch, Türkisch und Farsi dazukommen; sowie eine
generelle Modernisierung und Demokratisierung des „Herkunftssprachlichen
Unterrichts“ in Hessen eingeleitet werden.
Ziel ist, unter Beachtung des aktuellen Koalitionvertrages auf Landesebene, bzw.
konsequenter Ausschöpfung all seiner Spielräume, darauf hinzuarbeiten dass noch
vor Ende der aktuellen Legislaturperiode konkrete erste Schritte (Modellversuche
etc.) zu alldem erfolgen. Bis zum Beschluss des nächsten Grünen
Landtagswahlprogrammes soll außerdem ein konkreter Einstiegsplan in
flächendeckende Angebote diesbezüglich gemeinsam erarbeitet sein.
Begründung
(Noch zu überarbeitende Begründung eines früheren Antrages von 2017)
Wir GRÜNE fordern ein Angebot an Sprachenvielfalt im Kerncurriculum, die für alle Schülerinnen und Schüler zugänglich ist, egal welcher Herkunft sie sind und welche Sprache sie im Privatleben benutzen.
Das Angebot an Fremdsprachen für Englisch, Französisch, Italienisch, Spanisch und Russisch wird im Kerncurriculum für Hessen unter „Moderne Fremdsprachen“ aufgeführt. Dabei bildet das Kerncurriculum die verbindliche curriculare Grundlage für den Unterricht an Hessens allgemeinbildenden Schulen (Primarstufe und Sekundarstufe I). Quellen:
Für die Primarstufe:
Für die Sekundarstufe I :
Die Verordnung über das Kerncurriculum in Hessen vom 5. Februar 2016 regelt die Verbindlichkeit folgender Sprachen für die gymnasiale Oberstufe bzw. die beruflichen Gymnasien: Englisch, Französisch, Spanisch, Italienisch, Russisch, Latein und Griechisch. Hinzu kommt die verbindliche Grundlage für Japanisch im Lehrplan. Quelle:
Die stetige Entwicklung der Angebote an Fremdsprachen wird ein Dauerprozess in unserer immer enger vernetzten Welt bleiben. Um die Gedankengänge für die hier aufgeführten Forderungen intensiver nachzuvollziehen, bedarf es auch einen Blick auf entsprechende Diskurse im Hessischen Landtag. Hier eine Auswahl aus der Parlamentsdatenbank:
Wie aus der Drucksache 19/3894 hervorgeht, ist die Einführung von Chinesisch als neubeginnende Fremdsprache in der gymnasialen Oberstufe zum Schuljahr 2019/20 vorgesehen. Das heißt, es wird für alle Schüler angeboten werden. Für die Gewinnung von geeigneten Lehrkräften sind keine bilateralen Verhandlungen beabsichtigt.
Für das Kerncurriculum ist die Berücksichtigung von Chinesisch als Moderne Fremdsprache nicht bekannt, trotz vorliegendem Interesse. (19/3894 – Anlage 1).
TÜRKISCH als Moderne Fremdsprache ins Kerncurriculum Hessen etablieren!
Türkisch als Fremdsprache an allgemeinbildenden Schulen in Hessen ist ein Bestandteil der emanzipatorischen sowie integrationsspezifischen Forderungen jener Eltern aus der Generation der ersten Gastarbeiterbewegung, deren Nachkommen sowie derer, die sich der Türkei verbunden fühlen.
Das Angebot dazu ist leider bei unsicheren und wertneutralen Konstruktionen für Herkunftssprachen hängengeblieben. Ein Lehrplan für Türkisch als Fremdsprache mit verbindlicher Grundlage, Noteneinfluss auf das Schulzeugnis und mit Zugangsmöglichkeit für alle Schülerinnen und Schüler, ob mit oder ohne Migrationserfahrung oder -hintergrund, liegt nicht vor. Dabei liegt der Anteil von Schülerinnen und Schülern türkischer Herkunft und mit Ausländerstatus deutlich höher als von Schülern anderer Herkunftsländer. Quelle: Statistisches Bundesamt
Auch wenn die Handelsbeziehungen zwischen Deutschland und der Türkei eine bundespolitische Angelegenheit ist, gibt es auch spezifische Landesinteressen Hessens bei der Zusammenarbeit in Wirtschaft, Forschung und weiteren Disziplinen. Wie zudem bekannt, ist der Provinzkreis Bursa im Westen der Türkei Partnerregion von Hessen. Bursa gehört zu den führenden Regionen in der Türkei mit seinen Industriezweigen mit Beteiligung deutscher Unternehmen, wie z.B. Bosch und Siemens; auch mit seiner Universität und seinen Hochschulen. Ferner steigt die Zahl an türkischen Unternehmen auch in Hessen. So liegt die Zahl der bei der AHK und IHK registrierten türkischen Unternehmen bei mehr als 2.000.
Auch im außenwirtschaftlichen Kontext stellt die Türkei mit einem Exportvolumen von mehr als 1 Mrd. € einen wichtigen Außenhandelspartner für Hessen außerhalb der EU dar.
Quelle: Hessen-Agentur, Attraktive Auslandsmärkte Hessischer Wirtschaft, 2016 –Seite 14.
Die Zahl der Türkisch-Muttersprachler liegt weltweit bei mehr als 75 Millionen, die der Zweitsprachler bei ca. 15 Millionen. Es ist die Amtssprache der Republik Türkei und Nord-Zyperns; in Mazedonien, Rumänien, Kosovo, Irak, Bosnien-Herzegowina und Griechenland ist es regionale Sprache. Hinzu kommen alle Sprachen aus der Familie der Turksprachen, die von bis zu 400 Millionen Menschen auf der Welt gesprochen werden; hauptsächlich jedoch in Eurasien.
Die Bedeutung des qualifizierten türkischen Spracherwerbs basierend auf Regelungen als „Moderne Fremdsprache“ kann sich mindestens aus beruflicher Perspektive für junge Menschen besonders lohnen oder sogar erforderlich sein.
ARABISCH – Eine Weltsprache gehört als Moderne Fremdsprache ins Kerncurriculum
26 Länder auf der Welt führen die arabische Sprache als Staatssprache. Die Zahl der bei uns lebenden Menschen mit arabischer Herkunftssprache ist besonders durch die aktuellen Migrationsbewegungen gestiegen. In der o.g. Tabelle des Statistischen Bundesamts können wir mindestens ein Drittel der unter „Sonstiges“ erfassten Schülerinnen und Schüler unter arabischer Sprachherkunft zuordnen.
Saudi Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate und Oman gehören außerdem zu den wichtigen Handelspartnern von Hessen. Quelle: Hessen-Agentur, Attraktive Auslandmärkte Hessischer Wirtschaft, 2016 – Seite 2.
Im Kontext von Bildungs-, Entwicklungs- und Friedenspolitik schreiben wir „ Arabisch als Moderne Fremdsprache“ eine besondere Bedeutung zu. Die entsprechenden Beratungen und Vereinbarungen haben auch Auswirkungen auf die Wirtschaft und somit auf die Nachfrage nach Personen mit nachweislich soliden und fundierten Sprachkenntnissen in Arabisch.
Quelle: 4. Arabisch-Deutsches Bildungsforum
Wir GRÜNE stehen für die Unabhängigkeit und der Anpassungsfähigkeit der Bildung an die demografische Entwicklung!
Das aktuelle Angebot über den „herkunftssprachlichen Unterricht“ bzw. „Konsulatsunterricht“ wird im staatlichen Schulamt Frankfurt koordiniert und organisiert. Diese Unterrichtsform ist nur für Schülerinnen und Schülern mit Vorkenntnissen der eigenen bzw. elterlichen „Herkunftssprache“ auf Antrag an die Schulleitung nach Möglichkeit zugänglich. Es ist lediglich auf die Sprachen der von Anwerbeabkommen aus den 1960er-Jahren betroffenen Staaten ausgelegt. Als ein freiwilliges Wahlfach hat es keine Auswirkungen auf Notenvergabe und keinen Einfluss auf die Versetzung im Zeugnis. Bei einigen Sprachangeboten müssen sich die Schülerinnen und Schüler sogar finanziell beteiligen. Solche sind auch meistens von bilateralen Abkommen abhängig. Daher wird häufig von Konsulatsunterricht gesprochen, da die diplomatischen Vertretungen der betroffenen Staaten bei der Koordinierung ihrer Lehrkräfte mit aktiv sein müssen.
Schülerinnen und Schüler können Sprachzertifikate nach den Vorgaben des Europäischen Referenzrahmens (GER) nur für die Sprachen Türkisch und Polnisch durch externe Prüfungen und Selbstbeteiligungskosten erlangen.
Quelle: Staatliches Schulamt Frankfurt
Detailinformationen zur Anmeldung:
Durch die Anwendung der grundsätzlichen Unterrichtsprinzipien für Fremdsprachen sowie der Erweiterung des Rahmenangebots entsprechend der neuen Herkunftsländer aus dem Kontext Migration und Flucht im 21. Jh. werden Möglichkeiten besonders in der Primarstufe geschaffen, um jedes Kind wertschätzend in seiner Lebenswelt zu erreichen und die Teilhabe an innovativer Bildung zu ermöglichen.
Dazu unsere Grüne Position aus dem Landtagswahlprogramm 2014-2019 / Seite 37
FAZIT:
Wir GRÜNE stehen für eine weltoffene Gesellschaft. Deren Gestaltung von einer multikulturellen hin zu einer transkulturellen sehen wir als soziale Aufgabe. Die Vielfalt der Sprachkompetenzen nimmt eine Schlüsselrolle dabei ein. Sprache ist wichtiges Instrument für den sozialen Zusammenhalt in der hessischen Gesellschaft, sie bildet die Grundlage für ökonomisches Wachstum in Hessen. Nicht zuletzt ist sie Grundlage für eine bessere Völkerverständigung und damit für die Friedenspolitik.
Somit beauftragen wir hiermit die Landtagsfraktion und den Landesvorstand von Bündnis90/Die Grünen in Hessen, sich der Erweiterung und Entwicklung der modernen Fremdsprachen im Kerncurriculum Hessen um die Sprachen Türkisch, Chinesisch und Arabisch; sowie auch der Modernisierung und Demokratisierung des „Herkunftssprachlichen Unterrichts“ in Hessen noch stärker anzunehmen, sich dafür einzusetzen und die erforderlichen Prozesse zu gestalten und zu unterstützen.
Kommentare
Jan Schierkolk:
Weitere, mindestens noch zu anzupassende bzw. zu überprüfende Aspekte:
- Überprüfung von ggf. relevanten Bestimmungen im aktuellen KoaV
- Aktuell im Curriculum vorhandene Sprachen (ggf. Änderungen seit 2017?)
- Ggf. schulformspez. Unterscheidungen
- Je schon Konkretisierung der Forderung, als wievielte Sprache die neuen Optionen zur Verfügung stehen sollen?
- Bisher noch nicht überarbeitete (/gekürzte?) ursprüngliche Begründung.